In den letzten Jahren wurden in Deutschland aufgrund staatlich verordneter Bildungspläne der Bundesländer für den Elementarbereich Konzepte und Materialien für eine mathematische Frühförderung im Kindergarten entwickelt und veröffentlicht. Leider spiegeln diese Konzepte häufig ein Bild von Mathematik wider, welches auch gesellschaftlich weit verbreitet ist:

Die bittere Pille "Mathematik" muss durch einen sehr künstlichen, unterhaltsamen, spaßigen Rahmen interessant gemacht werden. So werden Zahlen nicht selten personifiziert und bekommen ein künstliches Eigenleben.

Mathematik kann aber aus der Sache heraus Spaß machen und trotzdem spielerisch sein. Nebenbei erfahren die Kindergartenkinder dann eine wirkliche mathematische Frühförderung, bei der sie auch aufgefordert werden, mathematische Entdeckungen zu beschreiben und zu begründen. Dies wird auf dieser Seite exemplarisch am Nim-Spiel verdeutlicht.

Ist das Nim-Spiel zur mathematischen Frühförderung geeignet?

Foto von 2 Kindern, die das NIM-Spiel spielen. Auf dem Tisch liegt das Spielbrett und bereits einige Plättchen. Das Kind links hat rote Plättchen, das Kind rechts blaue.

Die Kindergartenkinder Konrad (links) und Sönke (rechts) spielen das Nim-Spiel (vgl. Müller & Wittmann 1985, S. 230). Dabei legt Konrad entweder ein bis zwei rote und Sönke ein bis zwei blaue Plättchen auf das Spielfeld. Wer zuerst die 10 erreicht hat, hat gewonnen.

Inwiefern eignet sich diese Spiel zur mathematischen Frühförderung?
Welche mathematischen Basiskompetenzen werden gefördert?
Welche mathematischen Entdeckungen können die Kinder bei diesem Spiel machen?

Mathematische Frühförderung - zwanglos heißt nicht konzeptlos

Leitideen eines mathematischen Frühförderkonzepts

Forschungen belegen, dass Kinder durchaus schon vor dem Eintritt in die Schule mathematische Sachverhalte durchschauen und verstehen können. Eine mathematische Frühförderung sollte daher bei diesem Forschergeist ansetzen und mit Hilfe geeigneter Aktivitäten mathematische Basiskompetenzen fördern oder festigen.

"Geeignet" heißt an dieser Stelle, dass den Kindern die Mathematik nicht künstlich verpackt angeboten wird, sondern dass Mathematik als die Wissenschaft von den schönen Mustern verstanden und präsentiert wird, die man aktiv erforschen kann.

Das heißt natürlich nicht, dass Kindergartenkinder sich mit "nüchternen" Zahlen befassen sollen. Spielerische Zugänge sind selbstverständlich für junge Lerner erlaubt und sogar erwünscht. Gute Spiele ermöglichen es mathematische Grundlagen zu schaffen, Fertigkeiten produktiv zu üben, Fähigkeiten zu erproben sowie Neues zu entdecken (vgl. Bobrowski & Forthaus 1998, S. 7).

Hier setzen auch die je nach Bundesland sehr unterschiedlich ausdifferenzierten Bildungspläne für den Kindergarten an. So wird in den Bildungsgrundsätzen des Landes NRW (vgl. MGFFI & MSW NRW 2016) im Bereich Mathematik folgende Leitidee für die mathematische Frühförderung formuliert:

"Kinder erleben Mathematik in für sie interessanten und bedeutsamen Zusammenhängen. Im gemeinsamen aktiven Forschen, Entdecken und Experimentieren entwickeln sie eigene Wege, ihre Umwelt zu mathematisieren, mathematische Sachverhalte zu erforschen und Probleme mit Hilfe der Mathematik zu lösen.

Ausgehend von konkreten Erfahrungen und praktischem Tun gelangen sie vom Konkreten zum Abstrakten, entwickeln ein mathematisches Grundverständnis und setzen sich mit den Grundideen der Mathematik auseinander (Idee der Zahl, der Form, der Gesetzmäßigkeiten und Muster, des Teils und des Ganzen, der Symmetrie). Sie erfahren, dass ihre eigenen Ideen und Lösungsvorschläge wertvoll und anerkennenswert sind und dass Irrtümer und Fehler auf dem Weg zum Problemlösen konstruktiv genutzt werden können

(MGFFI & MSW NRW 2016, S. 116)

Das Nim-Spiel zur mathematischen Frühförderung

Das so genannte Nim-Spiel (in Anlehnung an Müller & Wittmann 1985, S. 230) gehört zu den mathematischen Spielen, die Kinder zum Entdecken und Erforschen herausfordern. Folgende Spielregel liegt diesem Spiel zu Grunde:

Auf einem Spielplan sind die Zahlen von 1 bis 10 abgebildet.

Abbildung von 10 Feldern nebeneinander, die die Ziffern 1 bis 10 beinhalten.

Zwei Kinder spielen gegeneinander. Eins bekommt rote, das andere blaue Plättchen. Die Kinder dürfen nun bei 1 beginnend abwechselnd entweder ein oder zwei Plättchen ihrer Farbe fortlaufend auf den Spielplan legen. Wer das Feld, auf dem die 10 abgebildet ist, mit einem Plättchen seiner Farbe belegen kann, gewinnt das Spiel.

Grundsätzlich - und daher ist das Spiel auch für Kindergartenkinder geeignet - müssen die Kinder eigentlich nur bis zwei zählen können. Weitere mathematische Kompetenzen benötigen sie eigentlich nicht. Allerdings können sie aus der Spielsituation heraus einige mathematische Entdeckungen machen:

Beim Nim-Spiel handelt sich um kein Glücksspiel. Das bemerken viele Kinder im Zuge der ersten Spielverläufe meist ganz von allein. Es gibt bestimmte Gewinnfelder, die es zu erreichen gilt, sodass man sicher gewinnen kann.

Wird die Gewinnstrategie des Nim-Spiels von den Kindern sogar komplett durchschaut, kann im obigen Fall der erste Spieler immer sicher gewinnen. Demnach fordert das Nim-Spiel zum Forschen und Entdecken sowie zum Beschreiben und Begründen auf.

Ganz nebenbei kann die Zahlreihe bis 10 gelernt bzw. vertieft werden, denn will man über die Gewinnfelder sprechen, ist es einfacher, sie mit den entsprechenden Zahlworten zu bennen (z.B. "Die Sieben muss ich haben, um zu gewinnen.").

Eigene Erkundung des Nim-Spiels

Bevor Sie sich die Vorgehensweisen der Kinder anschauen, erkunden Sie selbst die Gewinnstrategie des Nim-Spiels.

Eigenaktivität

  1. Spielen Sie das Nim-Spiel nach obiger Regel einige Male durch und entdecken Sie die Gewinnstrategie. Warum hat der erste Spieler eine sichere Gewinnstrategie? Wie muss er spielen?
  2. Was wäre, wenn man bis zu drei Plättchen legen dürfte? Wer gewinnt dann?
  3. Wie lautet die Gewinnstrategie, wenn derjenige, der das letzte Feld belegt, verliert?
  4. Was wäre, wenn der Spielplan bis 12 (20, 1001) ginge? Beantworten Sie die Fragen 1 bis 3 für diesen Spielplan.

Falls Sie Hilfe bei der Strategieanalyse des Nim-Spiels brauchen, schauen Sie hier nach.

Betrachtet man die einzelnen Bildungsvereinbarungen der verschiedenen Bundesländer, so formulieren die meisten die folgenden drei Kriterien für ein mathematisches Frühförderkonzept:

  • Spielerische Begegnung mit Grundfähigkeiten im Umgang mit Zahlen und Formen.
  • Mathematische Reichhaltigkeit (d.h. Ansätze zum spielerischen Entdecken und Erforschen mathematischer Muster und Strukturen) statt künstlicher Verpackung.
  • Nicht nur mathematische Kompetenzen werden entwickelt, sondern auch die Motorik, die Wahrnehmung und das Gedächtnis.

Eigenaktivität

Betrachten Sie die Videos und analysieren Sie, inwiefern die drei Kriterien für ein mathematisches Frühförderkonzept erfüllt werden.

Konrad und Sönke
Frank und Kiraz

Hier finden Sie eine beispielhafte didaktische Analyse.

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Zählvorkenntnisse

Deutscher Bildungsserver: Bildungspläne der einzelnen Bundesländer

Literatur