2. Hintergrundwissen: Halbschriftliches Rechnen
Traditionell unterscheiden wir in der Mathematik zwischen drei Hauptmethoden des Rechnens: dem mündlichen, dem halbschriftlichen und dem schriftlichen Rechnen. Als weitere Methode wird heute auch die Berechnung von Aufgaben mithilfe des Taschenrechners hinzu gezählt.
Alle Methoden haben Vor- und Nachteile (vgl. Sundermann & Selter 1995). Schülerinnen und Schüler sollten im Verlauf der Grundschulzeit lernen, sie abhängig von der Aufgabe, aber auch von eigenen Präferenzen flexibel einsetzen zu können (vgl. Selter 1999).
Beim halbschriftlichen Rechnen werden im Kopf durchgeführte Berechnungen durch schriftliche Aufzeichnungen unterstützt. Man spricht daher auch von gestütztem Kopfrechnen (vgl. Radatz u.a. 1998, S. 42).
Das zentrale Kennzeichen des halbschriftlichen Rechnens ist (wie die obigen Beispiele zeigen) das Zerlegen von Aufgaben in leichtere Teilaufgaben. Einzelne Rechenschritte werden notiert, bis am Schluss das Ergebnis ermittelt ist (vgl. Selter 1999, S. 6). Da die Kinder beim halbschriftlichen Rechen mit Zahlenganzheiten und nicht mit Ziffern rechnen, ordnet man es ebenso wie das mündliche Rechnen dem Zahlenrechnen zu.
Das halbschriftliche Rechnen ist im Wesentlichen durch drei spezifische Charakteristika gekennzeichnet, die auch beim Lösen von Additionsaufgaben zu beobachten sind und im Folgenden anhand des Einführungsvideos verdeutlicht werden:
1. Die Rechenwege sind beim halbschriftlichen Rechnen im Gegensatz zu den schriftlichen Algorithmen nicht verbindlich vorgegeben. So sieht man in dem Einstiegsvideo, dass Sabrina und Julius zwei sehr unterschiedliche Zerlegungen der Zahlen nutzen, um das Ergebnis zu ermitteln. (Eine Übersicht zu häufig genutzten Strategien finden Sie im 4. Abschnitt.)
2. Die Notationsweise ist ebenfalls nicht festgelegt. Die Kinder notieren, wie es bei Julius Vorgehen zu sehen ist, nicht unbedingt alle Teilschritte. Das Notieren der Schritte dient lediglich als Merkhilfe. Welche Schritte die Kinder notieren bleibt ihnen selbst überlassen.
Dies führt teilweise dazu, dass das Vorgehen der Kinder nicht immer nachvollziehbar ist und daher erfragt werden muss. (Im 5. Abschnitt finden Sie Beispiele, die verschiedene Notationsweisen zu einer Aufgabe illustrieren.)
3. Welche Lösungsstrategie besonders sinnvoll ist, hängt von der jeweiligen Aufgabe ab. Es ist beispielsweise wenig sinnvoll, 399 +141 in Stellenwerte zu zerlegen. Die Kinder sollen im Unterricht daher vielmehr eine Reihe von Strategien kennenlernen und diese in Abhängigkeit von der gegebenen Aufgabenstellung und der eigenen Präferenz flexibel einsetzen können. Man spricht in diesem Kontext häufig vom Flexiblen Rechnen (vgl. Selter 1999).
Im Einstiegsvideo lässt sich bei Timo erkennen, dass er die Wahl seiner Lösungsstrategie an die Aufgabe anpasst. (Im 6. Abschnitt können Sie anhand von Videos die Vorgehensweisen von Kindern bei verschiedenen Aufgaben genauer betrachten und beobachten, inwiefern die Kinder Strategien flexibel anwenden).