Ob beim Glücksraddrehen auf der Kirmes oder beim ‚Mensch ärgere Dich nicht' Spielen in der Familie: Glücksspiele und somit auch der Umgang mit Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten, kommen im alltäglichen Leben vor. Dennoch sind sich viele Kinder und auch Erwachsene häufig nicht darüber bewusst, dass hinter dem Zufall Regelmäßigkeiten stecken.
Welches Wissen und welche Strategien Kinder mitbringen, um Wahrscheinlichkeiten einzuschätzen, zeigen wir auf dieser Seite. Hier können Sie üben, ausgewählte Schülerdokumente (entnommen aus Knappstein 2010) auf gegebene Strategien hin zu analysieren und zu bewerten.
Wenn die Sechs dreimal hinterinander fällt...
Eigenaktivität
Linus reagiert auf die Aussage, dass beim Würfeln mit einem Würfel die Auftrittswahrscheinlichkeit für alle Augenzahlen gleich ist, folgendermaßen:
„Aber bei mir kam beim Würfelspiel gestern dreimal die 6 hintereinander. Also ist die 6 eher wahrscheinlich."
Wie kommt Linus zu dieser Aussage? Wie würden Sie mit solchen Aussagen im Unterricht umgehen?
Hintergrundwissen
Die Bedeutung des Umgangs mit Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten
Der Umgang mit „Daten, Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten" ist laut den Bildungsstandards (vgl. KMK 2005) fester Bestandteil des Mathematikunterrichts der Grundschule, der im Sinne des Spiralprinzips durchgehend in allen Jahrgangsstufen gefördert werden sollte.
So soll laut dem Lehrplan für das Land NRW sichergestellt werden, dass die Kinder Daten „in Bezug auf konkrete Fragestellungen [auswerten, sowie] die Wahrscheinlichkeiten einfacher Ereignisse" (MSW NRW 2008, S. 18) einschätzen lernen.
Während dabei bis zum Ende der Schuleingangsphase das Sammeln und die Darstellung und Auswertung von Daten im Vordergrund stehen (vgl. ebd.), sollten die Kinder am Ende der Schuleingangsphase „die Wahrscheinlichkeit von einfachen Ereignissen (z.B. mit Begriffen wie „sicher, wahrscheinlich, unmöglich, immer, häufig, selten, nie")" (ebd.) beschreiben sowie „die Anzahl verschiedener Möglichkeiten im Rahmen einfacher kombinatorischer Aufgabenstellungen" (ebd.) bestimmen können.
Hierbei ist wichtig, die alltagssprachlich verwendeten Begrifflichkeiten bewusst auch als mathematische Fachbegriffe zu thematisieren, um deren zum Teil abweichende Bedeutung herauszustellen (Walther u.a. 2008, S. 150).
Häufig gezeigte Strategien und Vorstellungen zur Einschätzung von Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten
Im Mathematikunterricht sollen die Kinder die Gelegenheiten bekommen zu lernen, „ihr subjektives Empfinden [...] zunehmend in den Hintergrund" (Walther u.a. 2008, S. 150) zu stellen.
Dies ist keine leichte Forderung, denn nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen mit „gut ausgebildeten fachlichen Vorstellungen" (Büchter u.a. 2005, S. 5) gelingt dies nicht immer, da sie sich oft von informellen Erfahrungen leiten lassen, wenn sie Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten einschätzen sollen.
In der Literatur (vgl. Pratt 2000) werden diesbezüglich vier verschiedene Begründungsstrategien (eher im Sinne von „Vorstellungen" zu verstehen) genannt:
- Die ‚availability heuristic' (‚Verfügbarkeitsheuristik'), nach der Urteile auf häufig erlebte Situationen zurückgeführt werden. So wird das Vorkommen der 6 aufgrund der Erfahrungen bei Brettspielen häufig als unwahrscheinlicher angesehen. Verfügbare oder vertraute Erfahrungen werden für maßgeblich erachtet.
- Die ‚representativeness heuristic' (‚Verallgemeinerung'), die auftritt, wenn oft wenige, selbst durchgeführte Versuche als repräsentativ für die allgemeine Häufigkeitsverteilung angesehen werden. Wenn also bei zehnmaligem Würfeln mit einem Würfel die 3 am häufigsten vorkommt, wird daraus geschlossen, dass ihr Auftreten generell wahrscheinlicher ist als das der anderen Augenzahlen, ähnlich wie es im Einstiegsbeispiel bei Linus der Fall ist. Von den wenigen Erfahrungswerten wird auf die Grundgesamtheit geschlossen.
- Die ‚equiprobability bias' (‚Gleichwahrscheinlichkeitstendenz'), die besagt, dass alle Möglichkeiten gleich wahrscheinlich sind, so bspw. auch die Augensummen 12 und 7 beim Würfeln mit zwei Würfeln.
- Der ‚outcome approach' (‚Ergebnisorientierte Ansatz'), bei dem man nicht auf die Wahrscheinlichkeit, sondern auf den speziellen Ausgang des Versuchs eingeht. Demzufolge wäre z.B. der Ausgang beim Glücksraddrehen davon abhängig, ob man mit viel oder wenig Schwung gedreht hat.
Eigene Erkundung: Beispiele für die genannten Strategien/Vorstellungen
Eigenaktivität
Entwickeln Sie zu jeder der oben genannten Strategien/Vorstellungen eine mögliche Aussage zur Auftrittswahrscheinlichkeit der einzelnen Augenzahlen beim Würfeln mit einem Würfel, wie sie auch aus dem Munde eines Grundschülers stammen könnte.
Schülerdokumente analysieren
Wir haben Viertklässler darum gebeten, zuerst in Einzelarbeit 30-mal mit einem Würfel zu würfeln und eine Strichliste über die geworfenen Augenzahlen zu führen. Weiterhin sollten die Kinder dann herausstellen, was ihnen an den Ergebnissen bzw. der Strichliste auffällt und diese Auffälligkeiten begründen.
Eigenaktivität
Schauen sie sich nun die unten gezeigten Kinderdokumente (aus Knappstein 2010) an. Können Sie bei den Lösungen der Kinder die oben dargestellten Strategien/Vorstellungen identifizieren? Wenn ja, welche? Begründen Sie Ihre Entscheidung!
Hier finden Sie mögliche Interpretationen der obigen Kinderdokumente.
Weiterführende Aufgaben
Eigenaktivität
Betrachten Sie nochmals die Schülerdokumente. Stellen Sie Überlegungen an, wie Sie die verschiedenen Strategien/Vorstellungen im Unterricht thematisieren würden.
Falls Sie hier noch Hilfe brauchen, können Sie in Walther et al. (2008) oder Schwarzkopf (2004) Anregungen finden.
Verwandte Themen
Kompetenzen im Mathematikunterricht
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Gewinnregeln überprüfen und beurteilen
Gewinnwahrscheinlichkeiten
Weitere Informationen zu den geforderten Kompetenzen im Umgang mit Daten, Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten, finden Sie im Lehrplan NRW (MSW NRW 2008) und den Bildungsstandards (KMK 2005).
Weitere Informationen zu den genannten Strategien/Vorstellungen zur Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten und Häufigkeiten finden Sie hier:
Pratt, D. (2000). Making sense of the total of two dice. Journal for Research in Mathematics Education, 5 (31), 602-625.
Auf der Website unseres Partnerprojekts PIK AS finden Sie im PIKAS: Unterrichtsmodul: Daten, Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten: 'Zufallsexperimente' die komplette Lernumgebung, aus der die obigen Kinderdokumente stammen. Darüber hinaus finden Sie im Unterrichtsmodul weitere Lernumgebungen, z.B. zu den Themen PIKAS: Unterrichtsmodul: Daten, Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten: Daten und Diagramme: 'Unsere Schule in Zahlen' und PIKAS: Unterrichtsmodul: Größen und Messen: Sachsituationen: Sachtexte zu Dinosauriern, die ebenfalls den Inhaltsbereich 'Daten, Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten' ansprechen.
Wenn Sie Mathematik fachfremd unterrichten und selbst in der Vergangenheit nicht allzu viele Erfahrungen mit dem Wahrscheinlichkeitsbegriff, sowie der Wahrscheinlichkeitsrechnung sammeln konnten, dann besuchen Sie doch einfach die Homepage des Projektes PriMakom („Primarstufe Mathematik kompakt“). Dort erhalten Sie interessante theoretische Hintergrundinformationen zum Wahrscheinlichkeitsbegriff sowie zur Wahrscheinlichkeitsrechnung und darüber hinaus finden Sie dort viele hilfreiche unterrichtspraktische Hinweise (primakom: Daten, Häufigkeit, Wahrscheinlichkeit: Zufall und Wahrscheinlichkeit: Einstieg).
Material
Arbeitsblatt "Würfeln"
Literatur
© Angela Knappstein für das KIRA-Team