Divisionsaufgaben können mit zwei verschiedenen Grundvorstellungen bearbeitet werden. Je nach Aufgabenformat liegt es nahe, aufteilend oder verteilend eine Lösung zu ermitteln. Aber auch Zahlenwerte können einen Einfluss auf die Wahl der Grundvorstellung haben.

Hier bekommen Sie die Gelegenheit, den Unterschied zwischen aufteilendem und verteilendem Rechnen selbst zu erkunden, Vorgehensweisen von Kindern zu beobachten und zu hinterfragen.

Ein Missverständnis zwischen den Grundvorstellungen

Lina wurde zu Beginn des 3. Schuljahrs die kontextfrei dargebotene Aufgabe 60:4 gestellt. Ihr Lösungsansatz bestand zunächst darin, die Zahl zu suchen, deren Vierfaches 60 ergibt: Sie begann mit 20, probierte es dann mit 18 und 21 und versuchte es anschließend mit 16. An dieser Stelle setzt der folgende Gesprächsausschnitt ein. [...]

L: Ähm, 16 mal ... äh 16 mal 4 ist ... 4 Zehner sind erst mal wieder 40, dann 46 und plus 4 ... 50 ... 52 plus 6 sind 58 .... passt auch nicht

I: Wieso hast du gerade plus 6 gesagt?

L: Was? Wo?

I: Du hast gerade plus 6 gesagt. 52 plus 6 sind 58.

L: Ja.

I: Wieso 6?

L: Weil ich da noch einmal ... ich hatte ja 16 mal 4 gerechnet. Da muss ich noch eine 6 dazurechnen. Weil ich erst die ganzen vier Zehner gemacht habe und dann die Sechser.

I: Aber wenn du 16 mal 4 rechnest, sind es ja nicht 4 Sechser, sondern 6 Vierer, ne, die du dazurechnen musst. Aber du weißt ja, dass zehnmal 4 viverzig ist, hast du eben gesagt, ne?

L: Ja.

I: Und wievielmal 4 sind 20? (Lina überlegt, lacht) Hilft dir das vielleicht?

L: Wievielmal 4 Zehner oder ... ?

I: Zehnmal 4 sind 40.

L: Ja.

I: Und wie viel fehlen dann noch bis 60?

L: 20.

I: Und wievielmal 4 sind 20?

L: Was? Wievielmal 4 sind 20? (leise) 8 ... 12 ... 16 ... 20. (laut) Ah, jetzt hab ich nicht mitgezählt, ich Doofi, ähm, mal eben zählen. Also 4, 8, 12, 16, 20 (zählt mit den Fingern die einzelnen Vierer mit) ... 5.

I: Hm, und wenn du jetzt weißt, dass zehnmal 4 vierzig sind und fünfmal 4 zwanzig ist?

L: (nach 24 Sekunden, unsicher) 5? Nee ... oder doch ... (nach 25 Sekunden)

I: Die 4 passt zehnmal in die 40 und fünfmal in die 20. Und 40 und 20 ist ja 60. Wie oft passt sie dann in die 60?

L: Die 4 ...

I: Wenn sie zehnmal in die 40 passt und dann noch fünfmal dazu ...

L: 15.

I: 15, ne.

L: Hm. (unsicher)

(Selter & Spiegel 1997)

Eigenaktivität

Wieso (und an welchen Stellen) reden Lina und die Interviewerin aneinander vorbei? Welchen Rechenweg schlägt Lina ein? Welchen die Interviewerin?

Hintergrundwissen zu den Grundvorstellungen der Division 

Divisionsaufgaben lassen sich in zweifacher Weise interpretieren - aufteilend oder verteilend. Für die Aufgabe 60 : 4 = [ ] aus dem Einstiegsbeispiel bedeutet das:

Aufteilendes Rechnen:

„Wie oft passt die 4 in die 60?"
4 + 4 + ... + 4 = 60 (Anzahl der Vieren)
bzw. [ ] * 4 = 60

Verteilendes Rechnen:

„Welches ist der vierte Teil von 60?"
[ ] + [ ] + [ ] + [ ] = 60
bzw. 4 * [ ] = 60

(vgl. Spiegel & Fromm 1996, S. 353 f.)

Welche Grundvorstellung zur Division naheliegt, wird oftmals durch die Aufgabenstellung in ihrem Kontext bestimmt. So führt eine Aufgabe mit gegebener Größe der Teilgruppen und gesuchter Anzahl selbiger in der Regel zu aufteilendem Rechnen und eine Aufgabe mit gegebener Anzahl der Teilgruppen und gesuchter Größe selbiger in der Regel zu verteilendem Rechnen.

So spricht die Aufgabe "20 Äpfel sollen in Tüten mit immer 4 Äpfeln verpackt werden. Wie viele Tüten werden gebildet?" die aufteilende Vorstellung an (Größe der Teilgruppe gegeben: immer 4 Äpfel; Anzahl gesucht). Dahingegen gehört die Aufgabe "20 Äpfel sollen auf 4 Tüten verteilt werden. Wie viele Äpfel sind in einer Tüte?" zur verteilenden Vorstellung (Anzahl der Teilgruppen gegeben: 4 Tüten; Größe der Teilgruppe gesucht).

Aber auch die Größe von Dividend und Divisor können einen Einfluss darauf haben, ob eher aufteilendes oder eher verteilendes Rechnen naheliegt (vgl. Spiegel & Fromm 1996). So erscheint es bei der Aufgabe 60:4 einfacher zu überlegen, welches der 4. Teil von 60 ist, also verteilend vorzugehen, als sich zu überlegen, wie oft die 4 in die 60 passt.

Anders verhält es sich bei der Aufgabe 200:50. Hier erscheint es einfacher, sich zu überlegen, wie oft die 50 in die 200 passt, also aufteilend vorzugehen, als sich zu überlegen, welches der 50. Teil von 200 ist, was einer verteilenden Vorstellung entspricht.

Geübte Rechner entscheiden sich automatisch unter Beachtung beider Aspekte - des Kontextes der Aufgabe sowie der Zahlenwerte - welche Grundvorstellung angewandt werden soll, ohne sich dies bewusst zu machen. Es ist vielmehr eine intuitive Wahl. Daher sollte Kindern im Unterricht der Unterschied zwischen Aufteilen und Verteilen nicht beigebracht oder verdeutlicht werden.

Vielmehr sollte die Lehrperson wissen, dass spezifische Aufgaben unterschiedliche Vorstellungen ansprechen, was im Unterricht bzw. im Lernprozess durchaus zu individuellen Probleme aber auch zu Kommunikationsproblemen zwischen Lehrperson und Kind führen kann, wie das Einsteigsbeispiel bereits gezeigt hat (Lina rechnet verteilend, die Interviewerin aufteilend) und die folgenden Beispiele verdeutlichen werden.

Eigene Erkundung der Grundvorstellungen

Eigenaktivität

Betrachten Sie die folgenden vier kontextgebundenen Divisionsaufgaben:

  • Bei einem Sportfest sollen sich 60 Kinder in gleich große Gruppen mit immer 4 Kindern aufteilen. Wie viele Gruppen werden gebildet?
  • Bei einem Kartenspiel sollen 48 Spielkarten an 4 Kinder gleichmäßig verteilt werden. Wie viele Karten bekommt jedes Kind?
  • Für einen Elternabend haben sich 72 Eltern angemeldet. Der Hausmeister muss nun Gruppentische für immer 6 Personen aufstellen. Wie viele Gruppentische muss der Hausmeister aufstellen?
  • Auf einem See sind 100 Personen in Ruderbooten unterwegs. In jedem Boot sitzen 4 Personen. Wie viele Boote sind auf dem See?

Lösen Sie zunächst selbst die Aufgaben und beobachten Sie Ihr eigenes Vorgehen. Wieso haben Sie sich entschieden, genau so vorzugehen?

Handelt es sich bei der jeweiligen Aufgabe um eine Aufteil- oder Verteilaufgabe?

Hier finden Sie eine Analyse der Aufgaben im Hinblick auf die angesprochene Grundvorstellung.

Kinder lösen Aufteil- und Verteilaufgaben

Wir haben Drittklässlern u.a. die obigen vier Divisionsaufgaben (Sportfest, Kartenspiel, Elternabend, Ruderboote) gestellt. Schauen Sie sich an, wie die Kinder bei den einzelnen Aufgaben vorgehen.

Frederic Kartenspiel
Mohammad Sportfest
Yucel Kartenspiel
Stelian Elternabend
Yazid Elternabend
Frederic Ruderboote

Eigenaktivität

  • Versuchen Sie nachzuvollziehen, wie das Kind auf die Lösung kommt.
  • Belegen Sie anhand der Aussagen des Kindes, ob es aufteilende oder verteilende Strategien zur Lösung heranzieht.

Hier sehen Sie exemplarisch für zwei der obigen sechs Videos, wie eine Analyse der jeweiligen Grundvorstellung aussehen kann.

Wenn der Kontext und die Zahlenwerte miteinander konkurrieren

Stelian hatte große Probleme mit folgender Aufteilaufgabe: Bei einem Sportfest sollen sich 60 Kinder in gleich große Gruppen mit immer 4 Kindern aufteilen. Wie viele Gruppen werden gebildet?

Eigenaktivität

Betrachten Sie das Vorgehen von Stelian - wenn nötig auch mehrmals.

Stelian Sportfest

Obwohl er die richtige Lösungszahl 15 nennt, kann er die Aufgabe letztlich nicht lösen und bricht ab. Woran liegt das?

 Hier finden Sie eine mögliche Interpretation.

Weitere Forschungsbefunde zum aufteilenden und verteilenden Rechnen

In dem Aufsatz von Spiegel & Fromm (1996) finden Sie weitere interessante Forschungsbefunde zum aufteilenden und verteilenden Rechnen zu folgenden Forschungsfragen:

  • Bevorzugen Kinder eine bestimmte Strategie (Aufteilen oder Verteilen) bei formalen Aufgaben?
  • Welchen Einfluss hat der Aufgabentypus (kontextfrei oder kotextgebunden) auf die Strategie der Kinder?
  • Welchen Einfluss haben die vorkommenden Zahlen auf die Rechenstrategie?

Den Aufsatz finden Sie hier: Uni Paderborn: Trends und Perspektiven – Eigene Wege beim Dividieren – Bericht über eine Untersuchung zu Beginn des 3. Schuljahrs (Abruf am: 20.07.2011)

Testen Sie Ihr Wissen zu dem Thema in unserem Kira-Check.

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Literatur